Die Menschen und ihre Willkommenskultur – wenn selbst der Mondmann auf der Erde nicht willkommen ist, braucht man sich über viele andere Taten und Äußerungen nicht wundern. Tomi Ungerer erkannte dies bereits vor über 50 Jahren in seinem Bilderbuchklassiker Der Mondmann.
„In sternklaren Nächten kann man den Mondmann am Himmel droben sehen, wie er zusammengekauert in seiner silbernen Wohnung sitzt.“ Gesellschaft hat er dort oben keine, wir befinden uns schließlich im Jahr 1966, also drei Jahre vor der Mondlandung. Es verwundert somit nicht, dass der kleine Kerl einen Komet am Schweif packte um zur Erde zu reisen. Die Begeisterung der Menschen für diesen ‚Flüchtling‘ hielt sich, wer hätte es auch anders vermutet, stark in Grenzen. „Soldaten jagten los, um die Erde zu verteidigen.“ „Regierungsbeamte wurden alarmiert. Staatsmänner, Gelehrte und Generäle waren furchtbar aufgeregt.“ Keine Frage was hier unternommen werden musste, dieser „Eindringling“ gehörte erst einmal ins Gefängnis und ein Sondergericht sollte den Fall untersuchen. Doch solche Verfahren brauchen ihre Zeit und der Mondmann stellte eines Tages erfreut fest: „ich bin, scheint´s beinah in meinem letzten Viertel!“ So verschwand er aus dem Gefängnis und konnte einige Nächte später in seinem ersten Viertel „zum ersten Mal die duftenden Blumen und die schönen Vögel und Schmetterlinge“ sehen.
In sternklaren Nächten kann man den Mondmann am Himmel droben sehen, wie er zusammengekauert in seiner silbernen Wohnung sitzt.
Eigentlich wäre dies der perfekte Moment um Tomi Ungerers Bilderbuch Der Mondmannzu beenden. Der Autor möchte es seinem leuchtenden Protagonisten jedoch nicht so leicht machen. Von Tanzeinlagen auf Gartenfesten über die Begegnung mit unfreundlichen Polizisten bis hin zu schicksalhaften Begegnungen in dunklen Schlössern – der Mondmann hat noch einige Abenteuer zu bestehen und diese sind überraschend zeitgemäß. Man merkt diesem über 50 Jahre alten Bilderbuch sein Alter kaum an. Lediglich die an Filzstiftzeichnungen erinnernden Illustrationen versprühen durch ihre poppigen Farben ein 60Jahre-Flair.
Wie aktuell Der Mondmann noch heute ist, zeigen u. a. die Verfilmungen von 2007 und 2012. Besonders der starbesetzte Zeichentrickfilm von 2012 transformiert Ungerers Zeichnungen auf fantastische Weise in bewegte Bilder, die dem Original mehr als gerecht werden.
Neben der auf youtube verfügbaren Verfilmung ‚Mondmann‘ von 2007 ist auch die Zeichentrickverfilmung bei einem größeren Streaminganbieter aktuell abrufbar (Stand 28. November 2019). Mit einer kleinen Träne im Augenwinkel kann man so dem im Februar verstorbenen Künstler Tomi Ungerer gedenken und seinen 88. Geburtstag am 28. November 2019 auch noch rückwirkend feiern.
Tomi Ungerer: Der Mondmann
Aus dem Amerikanischen von Elisabeth Schnack
Diogenes Verlag, Zürich 2016 [1966], 40 Seiten, 18,00 €
ISBN 978-3-257-00512-7