Farben sind je nach Kulturkreis mit unterschiedlichen Gefühlszuständen verbunden. Während im deutschsprachigen Raum das Blau weniger ein Gefühl, dafür umso mehr einen hochprozentigen Zustand symbolisiert, ist es in anderen Kulturen gleichzusetzen mit tiefer Trauer. Wie kann da das gelbschwarze Bilderbuch Lass mich einfach traurig sein von Kristin Heitmann und Marie Lavis auch aus wissenschaftlicher Sicht die perfekte Lektüre über die Trauer sein?
Die liebste Lieblingsfarbe der meisten Menschen ist Blau. Das ist keine haltlose Behauptung, mehrere Studien der vergangenen Jahre belegen eine positive Einstellung zahlreicher Testpersonen gegenüber Blautönen. Das Blau bzw. blau sein ist im deutschen Sprachraum in der Regel lediglich mit einem hochprozentigen Zustand verbunden. Nur warum wird Blau dann besonders im englischsprachigen Raum mit Traurigkeit verbunden? Sind die meisten Leute gerne traurig oder hat das eine mit dem anderen nichts zu tun?
Interessant ist: In gedrückter Stimmung können wir Blau- und Gelbtöne schlechter wahrnehmen und ja, auch das besagt eine halbwegs glaubhafte Studie. Folglich scheint es zumindest auf körperlicher Ebene eine Verbindung von Blau und Gelb mit dem Zustand der Trauer zu geben, ohne dass wir uns dessen bewusst sind.
Klassisch wird die Trauer ebenso wie der Tod, zumindest in unserem Kulturkreis, mit Schwarz verbunden. So verwundert es nicht, dass in Kristin Heitmanns Bilderbuch Lass mich einfach traurig sein der Trauerprozess mit schwarz-weißen Illustrationen beginnt. Anhand auch typografisch hervorragend verbildlichter Beispiele der vielen Gemütslagen innerhalb der Trauer, hält das Gelb und damit die im weitesten Sinne als Heilung zu bezeichnende Phase dieses Prozesses Einzug. Obwohl zum Ende des Buches das Gelb deutlich dominiert, verdeutlicht die Autorin, dass der individuelle Traueranlass „nichts ist mehr so wie es war“ und die daraus resultierende Verzweiflung immer da sein werden, „aber nicht mehr so schlimm“. Somit eröffnet die Wahl des Gelbtons als Symbol für einen zunehmend einfacheren Umgang mit der Trauer in Anbetracht der oben erwähnten Studie eine interessante und stimmige weitere Ebene.
nichts ist mehr so wie es war
Lediglich das Treten einer Katze als Beispiel für Handlungen innerhalb des Trauerzustands scheint unangebracht. Trauer entschuldigt viel, aber doch nicht alles und Tiere treten gehört auch mit hinterhergeschobener Reue sicherlich nicht dazu. Ansonsten überzeugt Lass mich einfach traurig sein besonders durch seinen neuen Ansatz, die Trauer ohne konkret benannten Anlass in den Mittelpunkt der Handlung zu stellen. Es gibt nicht wie so häufig ein verstorbenes Familienmitglied, da Gründe für Trauer und Verzweiflung so vielfältig sind wie der Umgang damit. Das weiß auch Marie Lavis mit ihren reduzierten teils scherenschnittartigen Illustrationen zu transportieren. Ein gelungenes Bilderbuch für alle Altersklasse – ohne Kitschgefahr.
Kristin Heitmann: Lass mich einfach traurig sein
Illustrationen von Marie Lavis
Druck und Bindung: Memminger MedienCentrum
appp media, München 2019, 40 Seiten, 14,90 €
ISBN 978-3-948362-01-0
– REZENSIONSEXEMPLAR –