Ende der 1970er Jahre häuften sich die Thriller-/Horror-Blockbuster um angeblich gefährliche Tierarten wie weiße Haie oder Piranhas. Selbst die ausschließlich für Allergiker gefährlichen Tomaten wurden mit der Filmparodie ‚Angriff der Killertomaten‘ zur tödlichen Gefahr stilisiert. Dem Image der Tomate als friedliches Lebensmittel konnte dies nichts anhaben, der Ruf von weißen Haien und Piranhas war durch die filmische Panikmache deutlich stärker beschädigt. Dank David Almond und seinem 2015 für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominierten Buch Der Junge, der mit den Piranhas schwamm feierten die Piranhas nach Jahrzehnten ein fulminantes und titelgebendes Comeback – diesmal im Kinderbuch. Sie markieren den Höhepunkt einer wahnwitzigen Geschichte voller bizarrer Ideen, skurriler Charaktere und verrückter Wortschöpfungen. Im Mittelpunkt des Geschehens steht der Waisenjunge Stanley Potts, dessen bisher liebevoller Onkel Ernie zuerst seinen Job und dann seinen Verstand verliert. Dieser Wahn schlägt sich in der neu gegründete Fischkonserven-Fabrik nieder, die mit namhaften Delikatessen wie Potts` salzige Sardinen, Potts` mundgerechte Makrelen oder Potts` perfekt portionierte Plattfische einen enormen Umsatz erzielt. Als Onkel Ernie daraufhin Stans Goldfische ebenfalls zu Konservendosen verarbeitet ist das Maß voll und Stan schließt sich dem Jahrmarktbudenbesitzer Dostojewski und seiner mürrischen Tochter Nitascha an. Er wird Teil einer eingeschworenen Schaustellergemeinschaft, lernt den großen Pancho Pirelli kennen und soll als dessen Schüler mit scheinbar hungrigen, fleischfressenden Piranhas in einem Becken schwimmen…
Ebenso wie es David Almond gelingt jeweils zum Spannungshöhepunkt den Schauplatz zu wechseln, sei an dieser Stelle nicht mehr verraten. Kein Geheimnis bleiben darf jedoch, dass David Almond mit Der Junge, der mit den Piranhas schwamm ein fantastisches und zugleich irres Kinderbuchspektakel gelungen ist. Er steht hiermit zweifellos in einer Reihe mit Roald Dahl und Philip Ardagh, dem Besten was britische (Kinder-)Literatur je hervorgebracht hat. Ebenso herausragend sind die stimmigen an Karikaturen erinnernden Illustrationen von Oliver Jeffers und die grandiose Übersetzung von Alexandra Ernst. Mein Gewinner der Herzen des Deutschen Jugendliteraturpreises 2015* in der Kategorie Kinderbuch.
David Almond: Der Junge, der mit den Piranhas schwamm
Illustrationen von Oliver Jeffers
Aus dem Englischen von Alexandra Ernst
Ravensburger Buchverlag, Ravensburg 2016 [2014], 256 Seiten, 7,99 €
ISBN 978-3-473-52561-4
*2015 scheint ein besonders starkes Jahr für hervorragende Kinderliteratur gewesen zu sein. So war beispielsweise auch Martin Heckmanns ‚Konstantin im Wörterwald‘ unter den Nominierten. Doch auch der Gewinner braucht sich nicht zu verstecken: Pam Muñoz Ryan mit ‚Der Träumer‘, erschienen im Aladin Verlag. Absolut lesenswert!