In exakt fünf Wochen wird der Deutsche Jugendliteraturpreis 2020 verliehen. Einiges bleibt beim Alten: Moderatorin Vivian Perkovic führt sicherlich charmant durch die Preisverleihung; Bundesjugendministerin Dr. Franziska Giffey spielt sich das dritte Jahr in Folge in den Vordergrund, obwohl sie doch eigentlich ‚nur‘ die GewinnerInnen bekannt geben soll; der Preis für das Gesamtwerk bleibt bis zur Verleihung geheim und sämtliche Kategorien (Bilderbuch, Kinderbuch, Jugendbuch, Sachbuch, Preis der Jugendjury, Sonderpreis Neue Talente) sind mit sechs bzw. drei Nominierungen vertreten.
Neu hingegen ist, wer hätte es dieser Tage auch vermutet, es wird kein Publikum und damit im Anschluss auch keine Häppchen und Schnittchen für die Anwesenden geben. Zum Glück können alle Interessierten den Deutschen Jugendliteraturpreis 2020 als Livestream aus dem Berliner GRIPS Theater verfolgen.
Um die Zeit bis dahin zu verkürzen und den Deutschen Jugendliteraturpreis ein wenig zu feiern, stellt der 35. Mai jede Woche eine Kategorie und drei nominierte Bücher vor. Die Auswahl der Bücher erfolgte zufällig und ist den Faktoren Zeit, Geld und Verfügbarkeit geschuldet.
Trotz der Verlegung der Verleihung von Frankfurt a. Main nach Berlin, möchte ich mit den Worten Goethes schließen: „Der Worte sind genug gewechselt, // Laßt mich auch endlich Taten sehn“!
Entspannt einer Etüde in Oll lauschen, kurz im Omiladen einkaufen gehen oder sich vor der Waldrandgefahr fürchten – mit den richtigen Drogen sicher kein Problem, einfacher geht es mit Das ausgelassene ABC von Ina Hattenhauer. Die Mischung aus ABC-, Wimmel- und Rätselbuch ist auf so vielen Ebenen schlau und lustig, da kann der beste Drogentrip nicht mithalten. Wo sonst flitzt ein Eilkubaner in Gestalt eines Fisches durch die Gegend, wo sonst kann man Utebeutel käuflich erwerben oder bei Udo Judo lernen? Eben! Was von außen so gewöhnlich daherkommt ist das gelungenste ABC-Buch seit Jahren. Auf je einer Doppelseite erweitert Autorin und Illustratorin Ina Hattenhauer den klassischen Buchstabenreim, lässt den zentralen Buchstaben verschwinden und unglaubliche Wortgebilde entstehen, die sie im wimmeligen Comicstil illustriert. Selbst erfahrene Leser von 30 Jahren müssen auf manchen Seiten zweimal hinsehen bis sie das Rätsel der eigentlichen Wortbedeutung geknackt haben. Falls dies einmal nicht gelingen sollte, finden sich im hinteren Teil des Buches alle Lösungen. Also schnell auf das Schafsofa legen, Malbier und Augenstange bereit stellen und in dieses fantastische Buh vertiefen!
Ina Hattenhauer: Das ausgelassene ABC
Druck und Bindung: TBB, a.s., Banská Bystrica
Gerstenberg Verlag, Hildesheim 2019, 56 Seiten, 13,00 €
ISBN 978-3-8369-5623-9
Konzipiert und erstmals veröffentlicht von der Bildbuchzeitschrift Gecko.
Wer kennt sie nicht, die knutschende und Wangen kneifende Tante. Sie ist das personifizierte Grauen des gelegentlichen Verwandtschaftsbesuchs der Kindheit. Selbst das entspannteste Kind dürfte vor solchen Knuddelatacken gerne Reißaus nehmen. Der fünfeinhalbjährigen Emma geht es hier genauso. Eigentlich mag sie Kuscheln Knuddeln und Kussi Bussi. Ihre Mama trägt sie auf dem Rücken wie ein Luchs und ihr Papa hält Emma schön warm und duftet nach Honig wie ein Bär. Doch mit diesen Verwandten ist es etwas völlig anders. Oma Lotti mufft nach Motten und erinnert mehr an eine Fledermaus mit ihren faltigen Armen. Auch Onkel Walter erscheint ihr wie ein nach Muscheln stinkendes Walross. Welch ein Glück für Emma, dass ihr Papa eines Tages Titan mit nach Hause bringt. Eine großen kuscheligen Hund, der nach Gras, Matsch und Pfützen riecht und außerdem gerne knuddelt und das sogar mit Verwandten. Anita Lehmann taucht mit Sabber Schlabber Kussi Bussi gelungen in die Gefühlswelt ihrer fünfeinhalbjährigen Protagonistin ein. Mit knappen, der Figur angemessen Sätzen beschreibt sie die Machtlosigkeit kleiner Kinder gegenüber distanzlosen Erwachsenen. Die reduzierten und zugleich knalligen Illustrationen von Kasia Fryza veranschaulichen die phantasievollen Gedankenspiele der Ich-Erzählerin Emma auf humorvolle Weise. Definitiv eine Pflichtlektüre für aufdringlichen Besuch!
Anita Lehmann: Sabber Schlabber Kussi Bussi
Illustrationen von Kasia Fryza alias Katarzyna Księżopolska
Aus dem Englischen von Stefanie Kuballa-Cottone
Gestaltung: Felix Kindelán
Helvetiq, Basel/Lausanne 2019, 36 Seiten, 14,00 €
ISBN 978-2-940481-75-0
Was ist eigentlich die Beaufort-Skala? Welche Route nahm Magellan auf seiner Reise um die Welt? Wieso tragen Seemänner gestreifte Hemden? Und warum leben Pinguine in der Antarktis? Antworten auf diese Fragen liefert Piotr Karskis Meer! Das Wissens- und Mitmachbuch – ein Buch das wirklich hält was es verspricht: Die geballte Ladung Wissen über alles was nur im entferntesten mit dem Meer zu tun hat und jede Menge lustige Bastel- und Kritzelideen. Nach Karskis 2017 ebenfalls im Moritz Verlag erschienenen Höhenbuch ‚Berge‘, geht es diesmal in die Tiefen der Weltmeere. Vom U-Boot-Bau über das Erlernen sämtlicher (wissenschaftlicher) Wolkennamen bis hin zur Erforschung eines Schiffswracks. Selbst zeichenunwillige Erwachsene können mit diesem über 200 Seiten starken Buch noch einige Wissenslücken stopfen. Außerdem überzeugen sowohl die offene Bindung als auch die sich auf drei Farben (Blau, Rot und Schwarz) beschränkenden Illustrationen auf ganzer Linie und das ist gerade in der Kategorie Bilderbuch nicht gerade unbedeutend. Also Leinen los! Alle Segel klar zum Setzen! Wir schippern los …
Piotr Karski: Meer! Das Wissens- und Mitmachbuch
Aus dem Polnischen von Marlena Breuer
Druck und Bindung: Opolgraf, Oppeln
Moritz Verlag, Frankfurt am Main 2019, 224 Seiten, 20,00 €
ISBN 978-3-89565-377-3